„Wer nun nicht trauert, der hat auch nicht geliebt“

Feierlicher Entwidmungsgottesdienst der Erlöserkirche in Siersdorf - Gemeinde spürt Trauer, aber auch Mut - Baesweiler Gemeindeglieder empfangen Siersdorfer herzlich in der Friedenskirche

Manche Gesichter trugen Beklommenheit, ja auch Verzweiflung in ihren Zügen, als das letzte Mal der Glockenschlag in der Siersdorfer Erlöserkirche erklang. Eine Geste hätte in diesem Moment die Stimmung bei der Entwidmung des Gotteshauses noch deutlicher ausdrücken können: wenn man sich gemeinsam an die Hände genommen hätte. Auch wenn diese kleine Geste ausblieb, so hatte Pfarrer Ulrich Schuster dies doch mit seinen Worten trefflich angebracht. Am Sonntagmorgen in der Erlöserkirche hatte der Geistliche viele Worte des Trostes für die Menschen gefunden. So wie das später auch Pfarrer Jochen Gürtler beim "Empfang" der neuen Gemeindemitglieder in der Baesweiler Friedenskirche gelang.

Erlöserkirche wird nach 57 Jahren entwidmet

Ulrich Schuster bat den Herrn, "guter Gott ich bitte Dich, dass Du jetzt bei uns bist". Das kam an bei den Menschen, die eine ganze Palette an Gefühlen in Form von Trauer, Wehmut und vielleicht auch Enttäuschung in sich trugen. Sie waren mit dem Leiter des Gottesdienstes einig: "Wir werden dem Herrn die Treue bis in die Ewigkeit halten", so wie es das Tuch an der Kanzel im Wort vermittelte: "ich werde von meinem Geist ausgießen." Ein letzter Gesang erklang, bis die Siersdorfer Gemeinde, geführt von Judith Jung und Gudrun Pieper, die die Altarbibel trugen, aus ihrem Hause auszogen und sich auf den Weg nach Baesweiler machten. Ein letztes Gebet, dann war die Erlöserkirche nach 57 Jahren endgültig Geschichte.

"Wer nun nicht trauert, der hat auch nicht geliebt"

Zuvor hatte Ulrich Schuster noch dazu aufgerufen, "wir wollen in dieser schweren Stunde den Herrn loben". An einer Stätte, wo Kranke einst haderten, wo Taufen neues Leben brachten, wo vieles die Menschen persönlich bewegt habe. Ulrich Schuster gab den Gottesdienstbesuchern mit "Herr, leite uns mit Deiner Gnade in die Friedenskirche". Ein letztes Mal spielte der gebürtige Settericher Tobias Koltun an der Orgel. Ulrich Schuster: "Der Herr hat uns das Vertrauen auf den Heiland geschenkt. Die Kirche muss den Glauben und das Vertrauen nun weitergeben". Pfarrer Schuster verband das mit dem Satz, "wer nun nicht trauert, der hat auch nicht geliebt."

Herzlicher Empfang in Baesweiler

In Baesweiler wurde den "Siersdorfern" einschließlich des Prädikanten Dieter Gatzke ("Ich konnte die Bibel nicht heraustragen. Das hätte mich emotional überfordert.") ein sehr herzlicher Empfang bereitet. Die Altarbibel fand aus den Händen von Judith Jung und Gudrun Pieper ihren Weg zum Altar in der Friedenskirche. Pfarrer Jochen Gürtler, Pfarrer Ulrich Schuster, Prädikant Dieter Gatzke sowie Judith Jung und Gudrun Pieper sprachen das Glaubensbekenntnis. Jochen Gürtler freute sich, dass die mit einem Bus angereisten Gläubigen aus Siersdorf "einen Platz in unserer Mitte gefunden haben. Seien Sie herzlich bei uns willkommen". Gürtler äußerte sein Verständnis, "ein Abschied von einem Gebäude tut natürlich weh. Wir wussten, dass dieser Tag kommen würde. Aber jetzt, wo die Situation da ist, ist es doch etwas ganz anderes". Jochen Gürtler bezog sich in seiner Predigt auf eigene Erfahrungen, die er seinerzeit in Leverkusen mit der Markus-Kirche machte. "Sie ist damals für mich zum Schatz geworden". Das Wort Gottes und die Erinnerungen könne man nicht anfassen, aber man fühle es, gab Jochen Gürtler den Menschen mit auf den Weg. Er versicherte, "das Wort Gottes hat immer Bestand".

Worte von ehemaligem Alsdorfer Pfarrer machen Mut

Leider gebe es Jahr für Jahr 30 bis 50 Christen weniger in der Gemeinde, so Gürtler. So gehe es allen Gemeinden des Nordkreises. Ein Satz vom ehemaligen Alsdorfer Pfarrer Ulrich Eichenberg habe ihn aber besonders geprägt. Eichenberg sagte einst: "Das Wort Gottes kann überall gepredigt werden. Dazu braucht es keine Kirche, kein Gebäude". Jochen Gürtler bekannte: "Dieser Satz hat mir Mut gemacht". Mut, der sich auf alle in diesem Gottesdienst geeinten Menschen bezog. Denn nach dem Gottesdienst ging man nicht schnell auseinander, sondern blieb noch für ein paar Stündchen. Getreu der von Gürtler genannten Order: "Unsere Aufgabe ist es, dass wir die Menschen, die ihre Kirche aufgeben mussten, in unserer Mitte aufnehmen".

(Text: Siegfried Malinowski)